
Neulich in einem grün gestrichenen, 30 Meter langen Keller, irgendwo in Deutschland. Ehrfürchtig nehme ich die
Heckler & Koch MP5 Maschinenpistole entgegen, nachdem mir mit ernster Mine erklärt wurde, wo das gefährliche Ende ist. Es steckt zwar noch nicht mal ein Magazin darin, aber ist es definitiv etwas anderes, eine echte Waffe in der Hand zu halten als Spielzeugpistolen, mögen sie auch noch so realistisch nachgebildet sein. Wenig später ist es soweit: 10 Meter von mir entfernt steht mein Gegner. Ein hässlicher Kerl, matschig beige und übersät mit Flecken, die wie Beulenpest aussehen. Gut, es ist nur eine mannsgroße Kartonfläche, die schon einige Treffer hat einstecken müssen, aber - in der Not beschießt der Teufel Fliegen. Ähnlich groß ist die Trefferzone, die mein Kontaktmann mir (mangels eines funktionierenden Tackers für die richtigen Zielscheiben) auf den Basiskarton gemalt hat:
Durch das Visier (kein Zielfernrohr) wirkt der Kringel lausig klein. Ich stelle mich in Position, drücke den Schaft der MP5 an die Schulter wie man es mir gezeigt hat - Ohrenschutz und Schützenbrille drücken sich in mein Gesicht, leicht irritiert peile ich durch das Visier.
Den Blob soll ich treffen in dem diffusen Neonlicht? Oh well, here goes nothing. Mit schwitzenden Händen drehe ich den Sicherungshebel auf "rot", lege an, Zeigefinger bewegt sich zitternd von der rechten Seite der Waffe an den Abzug. "Laaaangsam durchziehen", ertönt knapp hinter mir die Stimme des Fachmanns. Das tue ich - und mit einem gedämpften Knall und einem spürbaren, aber bestenfalls mittelstarken Rückstoß jagt das 9 mm Vollmantelgeschoss aus dem kurzen Lauf. Ich nehme die MP herunter und kneife die Augen zusammen: Gar nicht mal schlecht - 1 cm unterhalb und ein wenig rechts des Zielpunktes. Der Typ ist hin. War gar nicht schwer. Haben mich die Jahre des Killerspiele-zockens doch zu einem potentiellen Mörder gemacht? Ich schiebe den Gedanken beiseite und lege erneut an. Die beiden Spezialisten hinter mir kommentieren jeden Schuss, geben mir Hinweise, meine Nervosität legt sich zusehens, die meisten Einschusslöcher liegen mehr oder minder voll auf dem Ziel - von irgendwo hinter mir drängt gedämpft das Wort "Naturtalent" durch meinen Kopfhörer, ich habe keine Ahnung ob das ernst gemeint ist oder ob ich ballere wie eine Oma: Schließlich sagt man von der MP5 gerne, dass man mit ihr gar nicht vorbeischießen
kann. "Okay, das war das Anfängerlevel - machen wirs ein wenig interessanter!" Huh? Aufstellung 5 m vor dem Ziel. DAS soll schwerer sein? "So, Szenario: Wir stehen unter Beschuss, der Trupp bewegt sich rückwärts zur nächsten Deckung - DU musst die Gegner in Schach halten!" Ich werde von hinten an den Hüften gepackt und langsam rückwärts gezogen. "Feuer, Mann, die schießen auf uns!" Verdammt, das ist
echt schwerer - jeder noch so langsame Schritt (bei dem ich jedesmal hoffe nicht über die eigenen Füße zu stolpern und uns versehentlich alle zu perforieren) bringt mich völlig aus dem Ziel, den ersten Schuss gebe ich ab als wir schon 2 m gelaufen sind. So geht es für weitere 8 Meter, meine Treffer haben sich inzwischen auf über einen halben Meter um den Zielkreis ausgebreitet. Bei Meter 15 gehts wieder zurück: Stück für Stück werde ich auf das Ende der Schießbahn zugeschoben, bekomme zugerufen: "Weiterfeuern, der lebt noch!" Ich tue wie mir geheißen, jage Kugel um Kugel in den Umzugskarton-Schurken, bis wir nur noch 5 Meter entfernt sind und die MP statt einem knappen Bellen nur noch ein leises Klicken von sich gibt. Ich erinnere mich an den Drill: Waffe sichern, Magazin entnehmen und auf Munition checken, Verschlusshebel zurückziehen und die Kammer der MP prüfen: Auch leer. Puh, ich habe überlebt. Der Pappkamerad aber hat 25 neue Löcher: "Alles Brusttreffer", bekomme ich lobend bescheinigt.

Jetzt wirds sportlicher: Ich bekomme die
Sig Sauer P225 in die Hand gedrückt, Standardwaffe der Polizei. Ein schweres, schwarzes Stück Metall, das dieselbe Munition verschießt wie die MP (warum musste ich bei
Crysis eigentlich für alle Waffen immer spezielle Magazine finden?). Ich merke schnell, dass Pistolenschießen eine ganz andere Liga ist: Völlig verkrampft stehe ich im 45 Grad Winkel 5 Meter vor der Scheibenwand und ziehe laaaangsam den Abzug durch. Minuten zuvor musste ich noch den (wie ich ihn nenne) "
Jürgen Prochnow Test" absolvieren: Auf den fast ebenen Schlitten der ungeladenen Waffe wird ein Cent-Stück gelegt (Prochnow verwendete seinerzeit eine einzelne Patrone). Ich muss den Abzug so gleichmäßig durchziehen, dass die Münze liegenbleibt während sich mein Finger bewegt und der Hammer auf das hintere Ende der Kammer schlägt. Kein Problem soweit. Als sich der erste echte Schuss aus der P225 in meinen schwitzenden, verkrampften Händen löst, trauere ich sofort der MP nach: Die hatte nämlich durch ihre Masse allein fast den gesamten Rückstoß geschluckt. Die Automatik-Pistole jedoch bockt in meinen Händen gute 7 cm nach oben, der hier deutlich sichtbare Mündungsblitz verblasst langsam auf meiner Netzhaut, ich finde mich in einer Wolke aus Pulverdampf wieder. Das wiederholt sich für 3 Magazine, während deren lautstarker Entleerung sich nach und nach abermals meine Aufregung von Schuss zu Schuss verringert, ebenso wie meine Anfängerfehler (Finger nur am Abzug haben wenn man wirklich abdrücken will, den Schlitten beim Laden der Pistole richtig bedienen weil sich die Knarre sonst verklemmt, nicht vorne in das dunkle Loch gucken wenn wider Erwarten nix rauskommt).
Mit der Munition geht mir leider auch die Zeit aus: Vor der Tür warten bereits zwei Angestellte einer Geldtransporter Sicherheitsfirma, die "zur Entspannung" ihre 6-schüssigen 357er Magnums Gassi führen wollen. Entspannt fühle ich mich keinesfalls, als ich in die kühle Abendluft hinaustrete - nur langsam baut sich der Adrenalin-Buzz in meinem Körper ab. Soetwas erlebt man nicht alle Tage, und bei weitem nicht jeder bekommt die Gelegenheit dazu. Die Reporter fragen mich, was mein Fazit dieser halben Stunde sei. Ich überlege kurz und antworte grinsend: "Ich kann mich auch weiterhin
Crossfire nennen!"